Infraschall

Infraschall von Windkraftanlagen und Gesundheit

Einleitung
Allerorts in Europa und so auch in Österreich sind in den letzten Jahrzehnten Windparks entstanden und der weitere Ausbau von Windrädern/Windkraftanlagen (WKA) wird heftig propagiert und mit bedeutenden Steuermitteln gefördert, um den Anteil an erneuerbaren Energien am Gesamtenergiebedarf zu erhöhen. Das ist ein zentrales Thema im Zusammenhang mit der globalen Klima-Krise und daher von hoher Relevanz für die Gesellschaft, die Umwelt- und Energiepolitik und deren Strategien zur Erreichung der national und international beschlossenen Ziele.

Windräder mit ihren Rotoren erzeugen aber nicht nur erneuerbare Energie bzw. Strom; sie sind mit ihren mehr als 200 m Höhe in der Landschaft unübersehbar, verursachen bei tiefen Temperaturen Eiswurf, bei Sonneneinstrahlung einen intermittierenden Schattenwurf und sind kraftvolle Schall- Generatoren- alles Effekte, die bei der Planung und beim Betrieb dieser WKA zu berücksichtigen sind. Da diese Aspekte aber für die umfassende Meinungsbildung in der Bevölkerung überaus relevant sind, wird im Folgenden versucht, das zum umfassenden Verständnis erforderliche Wissen zum Thema INFRASCHALL in einfacher, knapper und seriöser Weise zu vermitteln. Dabei wird explizit nur die international publizierte Literatur aus anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschriften herangezogen und keine pseudowissenschaftlichen, im Eigenverlag oder in den Medien von selbsternannten Experten abgedruckten Meinungen.

Kann ein Windrad bzw. ein Windpark in der Nähe die Gesundheit gefährden?

Diese Frage ist mit einem eindeutigen JA zu beantworten, wenn die WKA zu nahe an Wohngebiete heranreichen:
Zum einen geht es um den Lärm, den die Rotorblätter und die im Turm der Anlage verborgene Technik produzieren. Dieser Lärm ist nichts Anderes als hörbarer Schall, der auf Grund seiner Wellenlänge (Schall-Frequenz, gemessen in Hertz) vom menschlichen Ohr als Ton, Geräusch oder Lärm aufgenommen (Frequenz zwischen 20- 20000 Hertz), im Innenohr in elektrische Reize umgewandelt und von dort an das Gehirn zur eigentlichen Hörempfindung weitergeleitet wird.

Abbildung 1

Wie jede Lärmbelästigung – die schon seit langem für Arbeiten in Industriebetrieben als wichtiger Faktor für die Gesundheit der Mitarbeiter beachtet werden muss – stellt auch der durch WKA verursachte ständige Lärm eine Belastung für das Gehörorgan des Menschen dar. Die Folgen können Schmerzen, permanentes Ohrensausen (Tinnitus) oder bleibende Gehörschäden sein. Weitere Folgen können Herzrhythmusstörungen und Depression (1) sein.

Da es für diese Folgen ausreichend wissenschaftliche Daten gibt, wurden zum Schutz vor Lärm entsprechende Normen und Richtlinien entwickelt, die befolgt werden müssen. Es sind dies ÖNORMEN, die Checkliste Schall sowie Gesetze, in denen Grenzwerte für die Intensität und Dauer der Lärmbelastung für Tag- Abend und Nacht festgelegt wurden (siehe weiter unten). Bei WKA wird diesem Schutz der Anrainer durch die einzuhaltenden, gesetzlich geregelten Mindestabstände zwischen WKA und dem nächsten Wohngebiet Rechnung getragen. Daher müssen die Betreiber von Windparks Gutachten zur Lärmbelastung der Anrainer vorlegen, die Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Mindestabstands nachweisen und Maßnahmen vorsehen, die gegebenenfalls bei Überschreitung der Grenzwerte (z.B. bei bestimmten Windverhältnissen) die Lärmbelastung schnell reduzieren (z.B. automatische Abschaltung der WKA).

Neben dem hörbaren Schall gibt es aber auch Bereiche des Schalls-Spektrums, die auf Grund ihrer Wellenlänge für den Menschen nicht hörbar sind: dazu gehört der Schall mit einer Frequenz über dem menschlichen Hörbereich (Ultraschall, ab 20000 Hertz) und der Schall unter dem menschlichen Hörbereich (Infraschall, unter 20 Hertz). Manche Tiere verständigen und orten sich mittels Rufen im Ultraschallbereich, wie z.B. Fledermäuse; andere wieder kommunizieren über große Distanzen mit Lauten im Infraschall- Bereich, wie z.B. Wale oder Elefanten.

Dieser Infraschall kann aus natürlichen oder aus künstlichen Quellen stammen. Zu den natürlichen gehören z.B. die Meeresbrandung, starker Wind oder Unwetter; zu den künstlichen zählen z.B. der Verkehr, Wärmepumpen oder Klimaanlagen. Auch WKA sind unbestritten eine Quelle von Infraschall. Es ist dieser unterhalb der Hörschwelle liegende Infraschall, der von vielen Menschen in der Nähe von WKA als Belästigung und als potentiell gefährlich für ihre Gesundheit empfunden wird. Dafür gibt es nunmehr auch zunehmend seriöse wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Gefährdung untermauern (siehe unten).

Der Infraschall von WKA entsteht vor allem durch das regelmäßige Vorbeiwischen der Rotorblätter am Turm der Anlage, wodurch ein pulsierender Charakter der dadurch verursachten Luftdruckschwankungen resultiert. Diese Schall hat andere Eigenschaften als der höherfrequente hörbare Schall: er hat eine lange Wellenlänge (von 340 m/sec bei 1 Hertz bis zu 17 m/sec bei 20 Hertz); er breitet sich in Luft („Luftschall“), Flüssigkeiten und festen Körpern („Körperschall“, über den Boden) über weite Strecken ohne wesentliche Abschwächung aus und wird auch durch übliche Schutzwälle oder Gebäude kaum gedämpft. Grundsätzliche physikalische Phänomene wie Reflexion, Überlagerung (von Luft- und Bodenschall) oder Resonanz führen dazu, dass es sogar zu einer Verstärkung der Schallintensität innerhalb von Gebäuden im Vergleich zu außen kommen kann. Der Infraschall von WKA stört z.B. bis zu 50 km Entfernung die Messungen von seismischen Stationen, die zur Erdbeben- Warnung und zur Kontrolle von Kernexplosionen durchgeführt werden; es wird deshalb eine Entfernung von 5-10 km von einem einzelnen Windrad und von 10-15 km von einem Windpark mit mehreren WKA empfohlen (2).

Dieser niederfrequente Schall wird nicht als Ton oder Geräusch gehört, sondern eher als Druck im Ohr oder als Vibration vom Körper wahrgenommen, wobei manche Personen besonders empfindlich dafür sind. Sie klagen über ein Gefühl der Verunsicherung, über innere Unruhe und Belästigung. Weiter kann es zu Schlafstörungen, Mangel an Konzentrationsfähigkeit, Benommenheit und Kopfschmerzen kommen (3). In Deutschland wurde die Schädigung des Gleichgewichtsorgans durch Infraschall als Erkrankung anerkannt und in den internationalen Klassifizierungskode für Krankheiten aufgenommen (ICD 10 2019, T 75.2). Tatsache ist, dass der unhörbare Infraschall im Gegensatz zum hörbaren Schall in Genehmigungsverfahren für WKA nicht gemessen oder beachtet wird. Wirksamen Schutz vor Infraschall bietet deshalb derzeit nur eine der Größe und Höhe der WKA angepasste Abstandsregelung zu bewohntem Gebiet (z.B. 10 x die Höhe der WKA wie in Bayern).

WKA und Infraschall – ein Risiko für Tiere?

Zu den Auswirkungen von WKA auf die Tierwelt gibt es zahllose Untersuchungen. Unbestritten ist, dass WKA eine signifikante Gefährdung für Vögel, Fledermäuse und Insekten darstellen. Darüber hinaus gibt es in den Medien immer wieder anekdotische Berichte über auffallende Verhaltensänderungen (bis zur Panik) bei gezüchteten Tieren im Umfeld von WKA, über eine hohe Rate an Fehlgeburten bei Tierherden, über drastische Rückgänge bei der Milchleistung von Kühen oder über auffallend häufige Fehlbildungen bei Jungtieren. Eine vor kurzem bekannt gewordene wissenschaftliche Untersuchung aus Indien hat die dramatischen Auswirkungen von WKA auf den Bestand von Greifvögeln aufgegriffen und auf die Auswirkungen auf das Ökosystem: Wenn die Greifvögel fehlen, steigt die Population ihrer potentiellen Beutetiere drastisch an und eine kaskadenförmige Veränderung des gesamten Ökosystems kommt in Gang (4). Eine umfassende Zusammenstellung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten wurde zuletzt im Jahr 2015 veröffentlicht (5). Auf Basis von 220 internationalen Publikationen wurde insbesondere zwischen durch WKA eher vulnerablen Tieren, zwischen Spezies- Eigenheiten sowie zwischen Standort Charakteristika unterschieden.

Wieso gibt es nicht mehr eindeutige Studien zu den Auswirkungen von Infraschall auf die Gesundheit?

Seriöse wissenschaftliche Untersuchungen zu gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen sind schwierig durchzuführen. Das beginnt bereits mit seiner genauen Messung: auf Grund der langen Wellenlänge und der niedrigen Frequenzen braucht es sehr empfindliche Instrumente und Messtechniken, bei denen auch die Hintergrund-Turbulenzen (z.B. durch Wind oder andere Quellen von Infraschall) und Einflüsse darauf wie Bodenbeschaffenheit, Windrichtung oder Wind- Einfallswinkel berücksichtigt werden können. Eindeutig klar steht jedenfalls fest, dass die übliche Messmethode für Schall mit einem sog. A-Filter [ausgedrückt als dB(A)] ungeeignet für eine Messung oder auch nur grobe Einschätzung des Infraschalls ist, weil dieses A-Filter gerade die niedrigen Frequenzen aus der Schallimmission herausfiltert und damit nicht erfasst – daher kann man mit dieser Messmethode keine Aussage zum niederfrequenten Infraschall treffen (6).

Schwierig ist auch die wissenschaftliche Objektivierung, ob der niederfrequente Schall vom Menschen gehört (z.B. bei starker Intensität als Brummen), als Druckgefühl oder Vibration wahrgenommen (bei mittleren Intensitäten) oder gar nicht bewusst registriert werden kann. Letzteres ist nur mit erst vor kurzem durchgeführten Untersuchungen gelungen, die eine Aktivierung von Gehirnarealen mittels Magnetresonanz nachweisen konnten, obwohl die Versuchspersonen bewusst gar keine Wahrnehmung hatten (siehe unten). Dazu kommen noch große Unterschiede in der Wahrnehmungs- Empfindung von Person zu Person.

Und letztlich sind auch die häufigsten Beschwerden, über die Anrainer von WKA berichten – nämlich Schlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsstörungen oder Unsicherheit – sehr unspezifisch und damit schwierig zu objektivieren oder gar genau zu quantifizieren. Das bloße Erfassen von Klagen Betroffener oder deren Befragung ist zwar einfach aber wissenschaftlich nicht sehr verlässlich und daher angreifbar.

Es muss aber auch an dieser Stelle erwähnt werden, dass nicht alle Länder (deren Wissenschaftsministerien oder Förderinstitutionen für Forschungsprojekte) gleichermaßen an einer gründlichen und raschen Aufklärung der offenen Fragen rund um gesundheitliche Konsequenzen von WKA interessiert sind. So gibt es z.B. aus China, dem Land mit den meisten Windparks, oder auch aus Deutschland (liegt an 3. Stelle) vergleichsweise nur sehr wenige Untersuchungen.

Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zu niederfrequentem Schall und Infraschall- eine Auswahl
Weitgehend unbestritten ist, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen störenden Belästigungen von Anrainern mit der Distanz zur WKA gibt. Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen und Zusammenfassungen bestätigen diese Erkenntnis (3)(7).

Ein großes internationales Forschungsprojekt (EARS I und II) hat nachgewiesen, dass die schallempfindlichen Zellen im Innenohr auch vom Infraschall gereizt werden und sie diesen Reiz an das Gehirn weiterleiten. Diese Reiz-Übertragung ist durch Magnetresonanzuntersuchungen bereits bei einer Frequenz und Intensität („Lautstärke“) nachweisbar, bei der die betroffenen Personen diesen Reiz (noch) nicht als Ton oder Geräusch wahrnehmen/hören. Weiter konnte gezeigt werden, dass Infraschall zur Aktivierung von bestimmten Gehirnarealen führt, die mit Emotionen (z.B. Angst, Stress, Unruhe) und dem autonomen Nervensystem (z.B. Blutdruck, Atmung, Schlafverhalten, Stimmung) zu tun haben (8). Erst jüngst wurde ein großer individueller Unterschied bei der Reiz-Übertragung an das Gehirn unter den Versuchspersonen nachgewiesen (9).

Diese wissenschaftlichen Untersuchungen beweisen, dass der Infraschall im Gehirn des Menschen zu nachweisbaren Effekten bzw. zu Aktivierungen führt, auch wenn die betroffene Person keinen Ton oder Lärm bewusst hören kann. Die dabei aktivierten spezifischen Regionen im Gehirn liefern eine plausible Erklärung dafür, wieso betroffene Personen in der Nähe von WKA über Schlaflosigkeit, Unwohlsein/innere Unruhe oder Angst berichten, obwohl sie keine Schallwahrnehmung haben. Weiter wird bestätigt, dass nicht alle Personen gleichermaßen empfindlich für derartige Auswirkungen sind.

Auch in Dänemark werden seit einigen Jahren grundlegende wissenschaftliche Untersuchungen zu den Begleiteffekten von WKA durchgeführt. Dort sind die Bedingungen für große Studien besonders günstig, zumal es viele Windparks gibt und die Bürger seit vielen Jahren systematisch mit vielen Details ihres Lebensstils, dem Wohnort, ihrer sozialen Stellung, dem Einkaufsverhalten oder der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems erfasst sind und diese Daten für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet werden können. In einer dieser Studien wurden die Nähe des Wohnorts zu einer WKA und der durch sie produzierte Schall auf die kurzfristig (innerhalb von 4 Tagen) danach gestellte Diagnose Herzinfarkt und Schlaganfall zwischen 1982 und 2013 überprüft. Hier zeigte sich ein (nicht signifikanter) Trend, dass niederfrequenter Schall von WKA während der Nacht und innerhalb der Wohnung diese Herz- Kreislauferkrankungen auslösen könnte (insbesondere bei älteren Personen), während ein solcher Trend für den Schall im Außenbereich nicht nachweisbar war (10). Diese Ergebnisse konnten auch in einer anschließenden prospektiven Studie über die Langzeitbelastung durch Schall von WKA auf die Herzinfarktrate bestätigt werden, aber auch hier ohne statistische Signifikanz: „… we found the highest level of Wind Turbine Noise to be associated with the highest relative risk for incident Myocardial Infarction …“ (11).

Diese Studien aus Dänemark deuten darauf hin, dass es möglicherweise einen kausalen Zusammenhang zwischen der Lärmbelastung durch WKA und dem Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfall bei in der Nähe wohnenden Personen geben könnte.

Diese Hinweise werden durch Ergebnisse aus experimentellen Studien aus Mainz an isolierten menschlichen Herzmuskelzellen, deren Kontraktionskraft unter dem Einfluss von Infraschall signifikant gehemmt werden konnte (12) ergänzt und plausibel.

Interessant sind auch zwei weitere Studien aus Dänemark, die die Einnahme von Medikamenten bei Personen im Umfeld von WKA untersucht haben. Hier wurden Personen erfasst, die ihren Wohnsitz schon fünf Jahre vor der Errichtung einer WKA in der Nähe bewohnten. Nach dem Bau einer WKA stieg der Bedarf an Medikamenten für Schlafstörungen und Depression mit der Schallintensität (und der Entfernung) signifikant an (13). Beim Bedarf an Blutdruck- senkenden Medikamenten konnte bei der gleichen Untersuchungssituation KEIN erhöhter Bedarf und kein Zusammenhang festgestellt werden (14).

Diese objektiven Ergebnisse aus Untersuchungen mit mehr als 500.000 eingeschlossenen Personen untermauern die seit Jahren immer wieder angeführten subjektiven Klagen von betroffenen Personen über Schlafstörungen im Umfeld von WKA.

Was wird derzeit getan, um einer Gefährdung der Gesundheit vorzubeugen?

Bei den Anträgen auf Genehmigung von WKA-Projekten müssen von den Antragstellern die in Österreich geltenden Bestimmungen und Normen eingehalten werden. Für den durch WKA produzierten Schall sind dies unter anderen insbesondere:
NÖ Naturschutzgesetz
NÖ Raumordnungsgesetz 2015, § 19 3a
ÖNORM S 5004, „Messung von Schallimmissionen“;
ÖNORM S 5021, „Schalltechnische Grundlagen für die örtliche und überörtliche Raumplanung und Raumordnung“;
ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 „Beurteilung von Schallimmissionen im Nachbarschaftsbereich“;
ÖAL-Richtlinie Nr. 6/18 „Die Wirkungen des Lärms auf den Menschen, Beurteilungshilfen für den Arzt“;
ÖNORM ISO 9613-2, „Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien“,
EN 61400-11 „Windenergieanlagen, Teil 11, Schallmessverfahren“;
UVE Checkliste Schall 01/2015 inkl. Beiblatt
UVE- Leitfaden 2019
UVP-G 2000

Die Probleme mit den Verfahren

 Die Verfahren zur Genehmigung von Windparks sind aus Sicht der Anrainer und in der Nähe wohnender Personen mit einer Reihe an Problemen behaftet. Im Folgenden werden jene Problembereiche gelistet und kurz erklärt, die im Zusammenhang mit der möglichen Gefährdung von Gesundheit und Wohlbefinden der Anrainer relevant sind:

  • Die im NÖ ROG festgeschriebenen Mindestabstände stammen aus einer Zeit, in der WKA etwa 30-50 m hoch waren; diese Bestimmungen sind veraltet und werden weder dem derzeitigen Stand des medizinischen Wissens noch der neuen Generation an WKA mit einer Nabenhöhe von mehr als 200 m gerecht.
  • In den zahlreichen einzuhaltenden Normen, Leitfäden oder Checklisten zum Lärm wird nur auf den hörbaren Bereich des Schalls/Lärms eingegangen und seine Messmethode, die Messbedingungen sowie die zu den verschiedenen Tageszeiten geltenden Grenzwerte standardisiert. Aspekte, die nicht in den Normen aufscheinen, werden in den Anträgen und auch in den Genehmigungsverfahren nicht beachtet oder als irrelevant bezeichnet. Der niederfrequente Infraschallbereich kommt in diesen Standards nicht vor und es wird daher in den Anträgen auch nicht – oder wenn, dann nur sehr oberflächlich – darauf eingegangen.
  • Wenn auf den Infraschall eingegangen wird, dann werden meist immer dieselben verharmlosenden „Erhebungen“ von (deutschen) Umweltbehörden zitiert, in denen zwar die Belästigung der Anrainer erwähnt wird, aber eine Gesundheitsgefährdung „nicht nachgewiesen werden konnte“. Die Schlussfolgerung ist dann in der Regel, dass das Gesundheitsrisiko durch Infraschall vernachlässigbar wäre. Es muss hier klargestellt werden, dass derartige Behörden politisch abhängige Institutionen sind, die keinerlei wissenschaftliche Qualifikation haben und ihre „Erhebungen“ und „Ergebnisse“ nicht durch Publikation in anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschriften für die internationale Gemeinschaft an Experten zur Diskussion stellen.
  • Wenn der Infraschall in den Verfahren thematisiert wird, dann wird meist von falschen Voraussetzungen ausgegangen – dass der Infraschall z.B. über das Gehör wahrgenommen werde oder dass der von WKA ausgesandte Infraschall unter der Wahrnehmbarkeitsgrenze liege. Dies erfolgt oft auf Grund der standardisierten Messung für den hörbaren Schall (mit einem A-Filter) und es wird dann von dieser Messung auf den Infraschall geschlossen. Hingegen steht eindeutig fest, dass die übliche Messmethode für Schall mit einem sog. A-Filter ungeeignet für eine Messung des Infraschalls ist, weil dieser A-Filter gerade die niedrigen Frequenzen herausfiltert und damit nicht erfasst – daher kann man mit dieser Messmethode keine Aussage zum niederfrequenten Infraschall treffen.
  • Ein großes Problem sind die „Gutachten“, die die Betreiber vorlegen müssen. Für ihre Anträge auf Errichtung eines Windparks beauftragen die Projektwerber technische Büros mit der Erstellung von „Gutachten“. Diese führen in der Umgebung der geplanten WKA standardisierte Messungen im hörbaren Bereich (mit dem A-Filter) zum Hintergrund-Schall durch. Weiter werden die Angaben der Windrad-Hersteller zur Produktion des hörbaren Schalls der jeweiligen WKA herangezogen und mit Hilfe eines Softwareprogramms die zu erwartende Gesamt-Schallbelastung der Region/Gemeinde berechnet. Diese Ergebnisse werden mit den geltenden Normen und Grenzwerten verglichen und gegebenenfalls bei Überschreiten eines Grenzwerts Auflagen empfohlen (z.B. die Verlangsamung oder Abschaltung der WKA zu bestimmten Zeiten oder bei bestimmter Windstärke). Auch diese „Gutachten“ kommen immer zum Schluss, dass aus Schalltechnischer Sicht „keine erheblichen Störungen der Gesundheit“ vorlägen oder diese „vernachlässigbar“ oder „unbedenklich“ wären.
  • Wie bei den Behörden muss auch hier klar gesagt werden, dass diese technischen Büros keine wissenschaftliche Qualifikation haben, keiner Kontrolle durch Vorgesetzte oder Kollegen ausgesetzt sind, keiner Ethikkommission gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, keinerlei ärztliche oder medizinische Kompetenz haben und auch meist nicht über eine Anerkennung als gerichtlich beeidete Sachverständige verfügen. Als solche wären sie nämlich für ihre „Gutachten“ haftbar. Es ist erfreulich, dass jüngst auch ein VwG die großen Mängel derartiger „Gutachten“ in einem Bescheid festgestellt hat (LVwG-AV-1491/001-2017). In Summe handelt es sich bei diesen „Gutachten“, die meist von denselben Büros und Personen erstellt werden, um Gefälligkeitsgutachten im Sinne der Auftraggeber (Projektwerber).
  • So wird in vielen Verfahren immer wieder im Zusammenhang mit Bedenken vor Störungen der Gesundheit durch WKA mit dem Nocebo-Effekt, mit übertriebenen, psychisch bedingten Ängsten einiger weniger Personen oder mit Simulanten, die über Beschwerden klagen, weil sie sich belästigt fühlen, argumentiert. Noch immer wird häufig auch behauptet, dass das, was nicht gehört werden kann, auch nicht schaden kann(!!!). Dem ist entgegenzuhalten, dass auch das UV-Licht nicht gesehen werden kann, trotzdem aber Schäden an der Haut verursachen kann; oder: auch Röntgenstrahlen können schwere Schäden verursachen, obwohl man sie nicht sehen kann.

Was fehlt? Forderungen an die Politik und Behörden

Aus medizinisch- wissenschaftlicher Sicht und aus Sicht eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, der für seine Aussagen haftbar gemacht werden kann, sind folgende Forderungen zur Verbesserung der Genehmigungsverfahren notwendig und überfällig:

  • Die Mindestabstände von WKA zu Wohngebieten müssen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und der technischen Entwicklung bei den WKA angepasst werden.
  • Der örtliche vorliegende Hintergrund – Infraschall und der durch eine WKA zusätzlich produzierte Infraschall sollte mit der korrekten Methode real gemessen werden, um seriöse Aussagen über Gesundheitsgefährdungen zuzulassen. Dabei sollte auch der Kumulationseffekt bei mehreren Windrädern und mehreren Windparks in der Nähe erfasst und berücksichtigt werden.
  • Die Folgen des Infraschalls sollten nicht pauschal verharmlost werden, sondern auf Basis der wachsenden seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen ernstgenommen, gezielt erhoben und berücksichtigt werden. Insbesondere geht es um Langzeiteffekte und um Folgen für Schwangere, Kinder oder ältere Personen.
  • Die den Behörden vorzulegenden Gutachten sollten ihrer Bezeichnung und ihrem Sinn gerecht werden: seriös, methodisch einwandfrei, nachvollziehbar und am aktuellen Stand des Wissens. Dafür braucht es unabhängige und kompetente Gutachter, die für ihre Aussagen haften und ihre möglichen Interessenskonflikte offenlegen; dazu zählen Angaben über die Anzahl der bisherigen Gutachten bzw. bisherigen Auftraggeber und über die Summe der Honorare. Weiter sollten bei den Schall- Gutachten medizinisch-kompetente Personen beigezogen werden.
  • Zuletzt die wichtigste Forderung: da es ausreichende wissenschaftlich-fundierte Hinweise für eine Gesundheitsgefährdung durch Infraschall gibt, geht es nicht darum, konkrete Schäden oder Risken NACHZUWEISEN sondern darum, diese im Vorfeld AUSZUSCHLIEßEN, bevor eine Genehmigung für WKA erteilt werden kann, um später auftretende Schäden tatsächlich zu vermeiden. Diese Sicht- und Vorgangsweise ist als „Vorsorgeprinzip“ Es wird als Beispiel wohl jedem einleuchten, dass die Behörden auch bei einem anonymen Hinweis auf einen Terroranschlag solange diesem Hinweis nachgehen müssen, bis sie auf Basis ihrer Erhebungen einen Terroranschlag ausschließen können. Eine derartige Beweislastumkehr wurde bereits vom OLG Schleswig Holstein in einer Klage gegen die Errichtung von WKA eingefordert (OLG Schleswig, Urteil vom 13.Juni 2019 –7 U 140/18).

Bei der Genehmigung von WKA muss das vorrangige Ziel der Schutz des Menschen und seiner Gesundheit sein. Damit zwingend verbunden ist die Einhaltung ausreichender Abstände zu den Anrainern. Solange die in den Genehmigungsverfahren geltenden Normen und Regeln dieser Erkenntnis nicht gerecht werden, ist als Mindestabstand die 10h-Regel anzuwenden, um nach bestem Wissen und Gewissen mögliche Schäden auszuschließen (Vorsorgeprinzip).

Literaturnachweis

(1) Hahad, O., Manfred Beutel, Tommaso Gori, Andreas Schulz, Maria Blettner, Norbert Pfeiffer, Thomas Rostock, Karl Lackner, Mette Sørensen, Jürgen H. Prochaska, et al.; Annoyance to different noise sources is associated with atrial fibrillation in the Gutenberg Health Study. Int J Cardiol. 2018 Mar 29 doi: 10.1016/j.ijcard.2018.03.126
(2) Pilger, C., L Ceranna – The influence of periodic wind turbine noise on infrasound array measurements; Journal of Sound and Vibration 388 (2017) 188-200
(3) Schmidt JH, Klokker M (2014) Health Effects Related to Wind Turbine Noise Exposure: A Systematic Review. PLoS ONE 9(12): e114183. doi:10.1371/journal.pone.0114183
(4) Thaker, M., Zambre, A. & Bhosale, H. Wind farms have cascading impacts on ecosystems across trophic levels. Nat Ecol Evol 2, 1854–1858 (2018). https://doi.org/10.1038/s41559-018-0707-z

(5)
Schuster, E., Bulling, L. & Köppel, J. Consolidating the State of Knowledge: A Synoptical Review of Wind Energy’s Wildlife Effects. Environmental Management 56, 300–331 (2015).
(6) Carlile S, Davy JL, Hillman D, Burgemeister K. A Review of the Possible Perceptual and Physiological Effects of Wind Turbine Noise. Trends Hear. 2018; 22:2331216518789551. doi:10.1177/2331216518789551
(7) Council of Canadian Academies, 2015. Understanding the Evidence: Wind Turbine Noise. Ottawa (ON): The Expert Panel on Wind Turbine Noise and Human Health, Council of Canadian Academies.
(8) Weichenberger M, Bauer M, Kühler R, et al. Altered cortical and subcortical connectivity due to infrasound administered near the hearing threshold – Evidence from fMRI. PLoS One. 2017; 12(4):e0174420. doi:10.1371/journal.pone.0174420
(9) Behler O, Uppenkamp S (2020) Activation in human auditory cortex in relation to the loudness and unpleasantness of low-frequency and infrasound stimuli. PLoS ONE 15(2): e0229088. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0229088

(10)
Poulsen, A.H., Ole Raaschou-Nielsen, Alfredo Peña, Andrea N. Hahmann, Rikke Baastrup Nordsborg, Matthias Ketzel, Jørgen Brandt, Mette Sørensen. Short-term nighttime wind turbine noise and cardiovascular events: A nationwide case-crossover study from Denmark. Environ Int. 2018 Mar 2; 114: 160–166. doi: 10.1016/j.envint.2018.02.030
(11) Poulsen, A.H., et al.; Long-Term Exposure to Wind Turbine Noise and Risk for Myocardial Infarction and Stroke: A Nationwide Cohort Study (2019) Environmental Health Perspectives 127(3):037004 DOI: 10.1289/EHP3340

(12)
Vahl,C., A.Ghazy, R.Chaban. Are There Harmful Effects Caused by the Silent Noise of Infrasound Produced by Windparks? An Experimental Approach; The Thoracic and Cardiovascular Surgeon 66(S 01):S1-S110 (2018)
(13) Poulsen, A.H., Ole Raaschou-Nielsen, Alfredo Peña, Andrea N. Hahmann, Rikke Baastrup Nordsborg, Matthias Ketzel, Jørgen Brandt, and Mette Sørensen (2019) Impact of Long-Term Exposure to Wind Turbine Noise on Redemption of Sleep Medication and Antidepressants: A Nationwide Cohort Study. Environmental Health Perspectives 127:3 https://doi.org/10.1289/EHP3909

(14)
Poulsen, A.H., Ole Raaschou-Nielsen, Alfredo Peña, Andrea N. Hahmann, Rikke Baastrup Nordsborg, Matthias Ketzel, Jørgen Brandt, Mette Sørensen; Long-term exposure to wind turbine noise and redemption of antihypertensive medication: A nationwide cohort study. Environ Int. 2018 Sep 11; 121(Pt 1): 207–215. doi: 10.1016/j.envint.2018.08.054

Kurzprofil Dr. Manfred Maier
Manfred Maier ist Arzt für Allgemeinmedizin und Physiologe, Univ.Prof. für Allgemeinmedizin sowie gerichtlich beeideter Sachverständiger für Allgemeinmedizin, war bis zu seiner Pensionierung Vorstand der Abteilung Allgemeinmedizin und Leiter des Zentrums für Public Health an der Medizinischen Universität Wien.

mdr WISSEN (17. Jänner 2020):
Infraschall – der unhörbare Lärm, der krank macht?

Mainz& (11. Mai 2020):
Mainzer Studie: Infraschall von Windrädern kann die Herzleistung des Menschen deutlich schädigen